Horizon – Aufbruch ins Ungewisse

Die Fantasy-Reihe „Horizon“ ist auf dem gleichnamigen Planeten angesiedelt in einer unserem Mittelalter ähnlichen Welt mit einander feindlich gesonnenen Königreichen.

 

Horizon entführt Jung und Alt in ein fantastisches Abenteuer voller Gefahren, Zwietracht und Magie. Begleitet in den ersten Teilen der Reihe den jungen Corin Bryant auf seinem Weg und entdeckt mit ihm diese neue Welt!

Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss
Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

"Aufbruch ins Ungewisse" ist der Auftakt des Fantasy-Zyklus' "Horizon".

 

Hauptfigur ist der sechzehnjährige Corin, der völlig überraschend in ein großes Abenteuer gerät. Hierbei spielt nicht nur sein Vater, König von Carbonn, eine gewichtige Rolle, sondern auch das sagenhafte Volk von Lindoras. Und was hat es mit den Riesenadlern auf sich?

Das erfahrt Ihr im ersten Band, den es als Taschenbuch überall im Handel gibt, als eBook exklusiv bei amazon und ganz neu auch als Hörbuch. 

 

 

 

Im Buchhandel erhältlich als:

- eBook für kindle: 3,99 Euro

- Taschenbuch (380 Seiten): 10,99 Euro

- Hörbuch (ungekürzte Fassung): 19,95 Euro oder für

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Dies ist der Handlungsort. Das Königreich Carbonn liegt im Norden Horizons. Hier ist es kälter als im Süden des Planeten, die Berge sind bedeckt von Gletschern und das Leben der Bevölkerung ist hart. Hier beginnt die Geschichte von Corin, dem jungen Mann, dem beinahe über Nacht eine große Verantwortung auferlegt wird. Begleitet ihn bei seinen Abenteuern im ersten Roman der Fantasy-Trilogie "Aufbruch ins Ungewisse".

© Amanda Laurie, 2015
© Amanda Laurie, 2015

Trailer

Marlon Baker von AutorenServices.de hat viel Zeit und Mühe investiert, und einen Buchtrailer für meinen Fantasy-Jugendroman „Horizon – Aufbruch ins Ungewisse“ erstellt. Ich freue mich sehr, diesen hier präsentieren zu dürfen.

Seit dem 16.12.2020 gibt es zu meinem Fantasy-Roman "Horizon - Aufbruch ins Ungewisse" auch ein Hörbuch in ungekürzter Fassung. 

Produziert und veröffentlicht wurde dieses von Miss Motte AUDIO. Gesprochen wird es von Hans-Peter Stoll, der jedem Charakter im Buch eine eigene Stimme verleiht. 

Ich bin unsagbar glücklich, dass mein Debüt nun auch in vertonter Form vorliegt. 

 

Preis: 19,95 Euro oder 1 Audible Guthaben

 

Tipp: Wer bereits das eBook besitzt, erhält bei amazon das Hörbuch zu einem Schnäppchenpreis von nur 2,95 Euro.

 

Hier geht es zum Hörbuch auf amazon, Thalia, BookBeat  oder direkt bei Audible

Leseprobe "Horizon – Aufbruch ins Ungewisse"

Abenteuerlicher Fantasyroman für Leser ab 12 Jahren!

Kapitel 1

 

Vermutlich zeugte es von der Naivität eines Neunjährigen, dass Corin bisher geglaubt hatte, seine aristokratische Abstammung hätte keinen Einfluss auf sein Leben. Hätte er geahnt, dass ihm diese erniedrigende Musterung bevorstehen würde, hätte er einen Weg gefunden, abwesend zu sein. Eine kräftige Hand umschloss soeben sein Kinn und drückte ihm den Kopf in den Nacken. So war er gezwungen, den Mann anzuschauen, der sich wenige Handbreit vor ihm aufgebaut hatte.

Rauchgraue Augen unter schwarzen Brauen blickten ihn an. Die Nase war vermutlich einst gebrochen gewesen. Leicht gebogen ähnelte sie dem Schnabel eines Greifvogels. Genau genommen erinnerte Corin alles an dem Fremden an einen Adler. Angefangen bei dem selbstbewussten Auftreten des hochgewachsenen Mannes, über den arroganten Blick, mit dem er ihn maß, bis hin zu seiner Kleidung.

Seine vornehmen Gewänder standen im Gegensatz zu dem bescheidenen Erscheinungsbild des Knaben. Dessen schlanke Statur wurde lediglich von braunen Lederhalbstiefeln, ockerfarbener Stoffhose und einem hellen Leinenhemd bedeckt. Die Kleidung war sauber, entbehrte jedoch jeglicher Eleganz. Es war die typische Gewandung eines Bauernjungen.

Corin blickte dem Mann unerschrocken entgegen. Um nichts in der Welt wollte er dem Fremden zeigen, wie ihm das Herz in der Brust hämmerte. Seine Hände, die er an den Seiten zu Fäusten ballte, fühlten sich feucht an. Seine Beine erinnerten an die Konsistenz von Haferbrei und hielten ihn nur mühsam aufrecht.

Am liebsten wäre er davongerannt, so sehr wünschte er sich an einen anderen Ort. Egal wohin, Hauptsache fort von diesem Mann. Lediglich die Furcht, sein zitternder Körper könnte ihm den Gehorsam verweigern und damit zum Gespött der Männer machen, hielt ihn ab. Corin stand starr und beugte sich dem Willen des Fremden. Er hasste dieses Gefühl des Ausgeliefertseins.

Während sich seine Mutter Elise und sein Stiefvater Jean Perrot im Hintergrund hielten, musterte ihn sein unbekanntes Gegenüber wie einen edlen Hengst auf dem Viehmarkt. Ein Gefühl starker Abneigung prickelte durch Corins Körper. Merkwürdig, dachte er, dass ausgerechnet ich für diesen Mann Feindseligkeit empfinde. Schließlich ist er mein Vater!

Daven Etienne Bryant, König von Carbonn, war mit einem Dutzend bewaffneter Krieger in Arbaer angereist, um seinem unehelichen Sohn einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Corin hätte gern auf dieses zweifelhafte Vergnügen verzichtet. Obwohl der König die Familie mit finanziellen Zuwendungen unterstützte, hatte er bislang nie persönlich vorbeigeschaut, abgesehen von der ersten Begegnung kurz nach Corins Geburt.

Bryant beobachtete ihn aus spöttisch blitzenden Augen. Sein Blick zeugte davon, dass er ahnte, was in Corin vorging. Die kräftigen Finger, die immer noch das Kinn umfassten und seinen Kopf gemächlich hin und her wandten, fühlten sich kühl auf Corins Haut an. Ein unangenehmes Gefühl, doch der Knabe verbarg seinen Unwillen.

»Ihr könnt nicht abstreiten, sein Vater zu sein«, ertönte eine amüsierte Stimme hinter Bryant, »lässt man die Farbe seines Haares einmal außer Acht.«

Das blonde Haar hatte Corin von seiner Mutter geerbt.

Ein zustimmender Grunzlaut war zu hören, bevor der König antwortete. »Hätte es je den geringsten Zweifel an seiner Herkunft gegeben, wäre all die Jahre nicht so viel Geld geflossen, Frederic.«

Seine Stimme klang tief und ein wenig rau, aber nicht unsympathisch. Während er sprach, löste er den Blick keinen Moment von seinem Sohn. Endlich ließ er die Hände sinken. Corin mahlte unauffällig mit den Zähnen, um seinem Kiefer das unangenehme Gefühl zu nehmen. Wütend starrte er den schlanken, dennoch kräftigen Mann an.

»Wie Ihr seht, haben wir uns gut um den Jungen gekümmert«, erklärte Elise gerade.

Corin bemerkte das leichte Beben, das ihrer Stimme anhaftete, und spürte in der Art, wie sie sprach und sich bewegte, ihre Abneigung gegen die Eindringlinge. Das schürte Corins Wut umso mehr. Zumal der Mann mit seinem bewaffneten Gefolge ihre uneingeschränkte Gastfreundschaft beanspruchte. Corin hatte beobachtet, welche Unmengen an Vorräten sie vertilgten. Und das, obwohl die Speicher nach dem langen Winter beinahe leer waren!

Ein Zittern durchlief seinen Körper. Bryant würde es vielleicht seiner vermeintlichen Furcht zuschreiben. Corin wusste es besser. Die Hände noch zu Fäusten geballt, blickte er zu Boden, um den Hass, der inzwischen in seinen Augen loderte, zu verbergen.

Nach dem Austausch weiterer Höflichkeitsfloskeln wurde Corin entlassen. Weggeschickt wie ein Kleinkind, fühlte er sich nicht wie der neunjährige Knabe, der seinem Stiefvater normalerweise gut geschult bei dessen Tagewerk, wie dem Bestellen der Felder, zur Hand ging.

Während seine Eltern mit Bryant sprachen, schlenderte Corin über den Hof. An jeder Ecke standen die Männer des Königs, bemüht, unbeteiligt dreinzuschauen. Corin spürte, dass sie ihn beobachteten, registrierte die nur schlecht verhohlene Neugier. Alle schienen einen Blick auf den Bastard des Königs werfen zu wollen. Corin fühlte sich elend und beeilte sich, das Anwesen zu verlassen.

Erst im Wald, umgeben vom friedvollen Rauschen der Blätter und dem Zwitschern der Vögel, den Vorboten des beginnenden Frühlings, atmete er befreit auf. Er würde erst zurückkehren, wenn er sicher war, dass Daven Bryant und sein Gefolge abgereist waren.

Doch Corin ahnte, der König würde wiederkommen. Nicht gleich morgen, vermutlich nicht mal im kommenden Jahr. Aber eines Tages würde er erneut vor ihrer Tür stehen. Dann, so schwor er sich, würde er sich nicht wie ein Stück Vieh behandeln lassen. Sollte der König abermals auftauchen, würde er, Corin Perrot, nicht hier sein!


 

Kapitel 2

 

Sieben Jahre später

 

Der eisige Wind fegte aus den Bergen herab, trieb die Kälte unter die Umhänge der Versammelten und strich um ihre Körper. Auf der Ebene nördlich der Feste waren sie zusammengekommen. Kinder zitterten, Frauen schluchzten, viele weinten lautlos. Mancher Mann rieb sich verstohlen die Augen, um eine Träne fortzuwischen. Man hätte diese der Kälte zuschreiben können, wüsste man es nicht besser.

Daven Etienne Bryant stand in vorderster Reihe. Mit stoischer Miene beobachtete er, wie der Sarg in das Erdloch hinabgelassen wurde. Bryants Gesicht wirkte ausgezehrt. Die Augen lagen tief in den Höhlen, als fände er seit Tagen keinen Schlaf. Schließlich trat Bryant zwei Schritte vor. Mit den Fingern langte er in eine Tonschale, die der Geistliche hielt, und warf eine Handvoll Erde hinterher.

Er kniete nieder, den Blick starr auf das Loch im Boden gerichtet. Das helle Holz war jetzt teilweise von Erde bedeckt. Bryant senkte den Kopf und murmelte ein Gebet. Damit folgte er den Riten, die in Carbonn seit jeher zur Totenfeier zählten. Er bezeugte seine Ehre, die Achtung vor dem Verstorbenen – seinem erstgeborenen Sohn Etienne Marten Bryant, dem Thronprinzen. Er war nur einundzwanzig Jahre alt geworden.

Nach einer Weile erhob sich der König. Weitere Trauergäste traten heran, um dem Verstorbenen zu huldigen.

Der Flügelschlag großer Schwingen war zu hören.

Bryant blickte zum Himmel hinauf, wo einer der seltenen Riesenadler seine Kreise zog. Er erkannte das Tier an der hellen Schwanzfeder. Selbst den Vogel berührt Etiennes Tod, dachte Bryant. Der Adler hatte seinen Gefährten verloren.

Bryant wusste selbst nicht, wie er mit diesem Verlust leben sollte. Zu Etienne hatte er eine starke Bindung verspürt. Von seinen Söhnen war er ihm der liebste gewesen, der, der ihm am nächsten stand. Es schmerzte zutiefst, weiterzuleben, die schönen Dinge tagein tagaus zu erleben, obwohl es Etienne, der noch seine ganze Zukunft vor sich gehabt hatte, nicht mehr vergönnt war.

Vielleicht hätte Bryant sich eines Tages mit dem Schicksal abgefunden, wäre Etienne in einem fairen Kampf gefallen. In diesem Fall allerdings fand Bryant keine Ruhe. Denn Etienne war nicht während einer Schlacht gestorben, er war hinterhältig ermordet worden.

 

 

***

 

 

»Hast du mit den Offizieren gesprochen?« Der König stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte auf die Stadt, die sich zu Füßen der Burg erstreckte. Die Glasfenster waren verschlossen, sodass ein Großteil der Geräusche ausgesperrt blieb.

»Sie bekräftigen mich in meiner Ansicht«, antwortete Frederic Durand, sein engster Vertrauter.

»Das will ich nicht glauben. Es muss einen anderen Grund geben! Ein Angehöriger der Blutlinie des Königshauses von Carbonn steht von jeher auf der Abschussliste. Dazu liegen wir mit zu vielen Königtümern im Unfrieden.« Bryant wandte sich zu Durand um und ergänzte beinahe verschwörerisch: »Selbst der Großkönig hätte Grund gehabt, ein Zeichen zu setzen. Seit dem Weltenkrieg hat sich ihm keiner meiner Vorfahren unterworfen.«

»Ihr könnt es schönreden, Daven, jedoch ändert das die Tatsachen nicht. Der oder die Täter haben nicht von außerhalb agiert.«

Bryant zuckte zusammen, als er die Vermutung Durands laut vernahm. Unvorstellbar, dass der Mörder seines Sohnes aus den eigenen Reihen kommen sollte.

Etienne war mit seiner Einheit den nahen Grenzverlauf zu Sagard abgeritten. Seit Jahren herrschte eine instabile Waffenruhe zwischen den benachbarten Reichen. Der Trupp war in einen Hinterhalt geraten. Die Angreifer trugen Äxte bei sich, Holzknüppel und Sensen.

Alles deutete darauf hin, dass Bauern sich erhoben hatten und sein Sohn ein Zufallsopfer gewesen war. Dagegen sprach, dass Etienne durch einen Schwerthieb in den Rücken gefallen war. Diese Tat konnte man keinem Bauern unterschieben. Und niemand hatte den Mord beobachtet, zu überraschend war alles geschehen. Die Gardisten kannte der König seit Jahren. Sie wirkten ehrlich erschüttert. Er war überzeugt, dass keiner von ihnen der Täter war.

Doch wie hatte sich der Mörder unerkannt unter die Menge mischen können? Die meisten der Angreifer waren im Laufe des Kampfes gefallen. Nach zwei Männern, die entkommen waren, durchkämmte man seit Tagen die Wälder. Er erhoffte sich, von ihnen die Hintermänner zu erfahren. Denn dass sie auf eigene Faust aktiv geworden waren, bezweifelte Bryant.

»Ein weiteres Indiz für unsere Annahme ist, dass die Toten auf den ersten Blick den Anschein erwecken, Bürger Sagards zu sein. Ihre Kleidung stammt eindeutig aus dem Süden. Doch von den Gardisten wissen wir, dass sie Lingui sprachen. Also müssen sie Carbonner sein!«

Durand vermutete den Täter in den eigenen Reihen. Er musste sich im Tumult unbemerkt herangeschlichen haben, um seine Tat auszuführen.

»Wir müssen davon ausgehen, dass der Mörder entkommen konnte. Die Garde hält sich in erhöhter Alarmbereitschaft. Wer immer hinter dem Mord steckt, verbirgt sich womöglich noch in der Nähe und verfolgt ein höheres Ziel. Früher oder später wird er einen Fehler begehen, der ihn verrät. Dann haben wir ihn.«

»Dann sollte derjenige beten, dass er mir nicht zwischen die Finger kommt.« Bryant knirschte mit den Zähnen. Eine Woche war seit dem Begräbnis vergangen, und noch immer fehlte vom Täter jede Spur. »Gestreckt und gevierteilt gehört er für jene schändliche, feige Tat! Das auch nur, wenn ich besserer Stimmung bin. Derzeit braucht niemand zu hoffen, so gnädig davonzukommen.«

»Sobald wir seiner habhaft werden, dürft Ihr Euch der Rache hingeben. Bis dahin solltet Ihr Euch den Prioritäten zuwenden.«

»Prioritäten?«, donnerte Bryant. »Was, bei allen Göttern, könnte wichtiger sein, als den Mörder meines Sohnes aufzuspüren?«

»Regierungsgeschäfte.« Durand atmete tief durch. »Unsere Nachbarn, allen voran Rowenia und Valeron, sitzen wie die Geier in Habachtstellung und warten nur darauf, dass Ihr Schwäche zeigt. Sodann werden sie wie ein Rudel hungriger Wölfe in unser Reich einfallen und alles an sich reißen, bis nur Tod und Verderben übrig bleiben. Das wäre das Letzte, was Etienne gewünscht hätte! Er wollte dieses Land in Eurem Sinne führen. Werft nicht alles der Rache wegen weg. Wenn Euer Sohn das ahnen würde, er würde sich im Grabe umdrehen.«

»Halte Etienne raus!«, herrschte der König seinen Vertrauensmann an.

»Das werde ich, wenn es Euch Frieden bringt. Andere jedoch werden Euch keine Zeit zur Trauer lassen. Denkt an meine Worte, Daven, sonst geht es mit Carbonn bergab.«

Eine Weile herrschte Schweigen. Schließlich sagte Bryant: »Nie hätte ich für möglich gehalten, dass mir solch eine Bürde auferlegt wird. Ein Kind sollte nicht vor seinen Eltern sterben.«

Seinen Blick in die Ferne gerichtet, weilte er mit den Gedanken bei längst Vergangenem. Nie hatte er Suzanne, die verstorbene Königin, beneidet. Doch jetzt, wo sie von dem Schmerz verschont blieb, den der Verlust ihres Kindes mit sich brachte, wünschte er sich, er wäre vor einem Jahr mit ihr gestorben.

Ihr Tod hatte ihn nicht so getroffen wie der Verlust Etiennes. Wie sollte sein Herz jemals heilen? Ihm war, als wäre es aus seiner Brust gerissen worden und hätte ein großes, finsteres Loch aufgetan, das sich allmählich mit Hass und Rachsucht füllte.

Durand räusperte sich. »Das Volk ist uneins. Die Thronfolge ungeklärt. Ihr müsst handeln!«

»Mit dem Problem der Thronfolge befasse ich mich, wenn die Zeit gekommen ist. Doch zuerst will ich Gerechtigkeit!«

»Niemand erwartet eine ausgiebige Feier, erst recht nicht während der Trauerzeit. Aber Ihr solltet ein Zeichen setzen. Zeigt unseren Feinden, dass Euch die Tat nicht zerrüttet. Ernennt Raoul offiziell zu Eurem Erben. Beweist Stärke!«

Bryant blickte Durand an, als wäre ihm soeben ein Horn gewachsen. »Bist du des Wahnsinns? Wieso, bei allen Göttern, sollte ich Raoul als meinen Erben anerkennen?«

Jetzt war es an Durand, einfältig zu schauen. Raoul war der Zweitgeborene des Königs und stand nach Etiennes Tod an erster Stelle der Thronfolge.

Daven Bryant ahnte, was in diesem Moment im Kopf seines Vertrauensmannes vor sich ging. Er konnte beinahe hören, wie die Räder in dessen Gehirn ratterten. Es wurde Zeit, Frederic Durand die Wahrheit zu gestehen. Er war ihm seit Kindesbeinen ein treuer Kamerad gewesen. Wenn jemand Loyalität bewiesen hatte, dann er.

»Setz dich! Wir müssen reden.« Bryant wies auf einen von zwei hohen Lehnstühlen, die vor dem Kamin standen.

Das Feuer prasselte und schickte anheimelnde Wärme in den Raum. Als Durand Platz genommen hatte, sank Bryant auf den gegenüberliegenden Sitz.

»Suzanne, dieses herzlose Weib, hatte eine Affäre.«

Hatte Durand bisher vermieden, sein Erstaunen offen zu zeigen, so weiteten sich seine Augen bei dieser Neuigkeit. »Wollt Ihr andeuten, dass ...?« Er konnte das Unfassbare offenbar nicht in Worte kleiden.

»Genau das, mein Freund. Raoul ist nicht von meinem Blute.«

Bryant schmerzte diese Aussage weniger, als er erwartet hätte. Zu viele Jahre wusste er davon. Er hatte sich damit abgefunden.

Der König lächelte verbittert. »Er ist das Ergebnis eines Fehltritts meiner verstorbenen Frau mit einem verarmten Baron aus ihrer Heimat. Aus Sagard kam noch nie etwas Gutes.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe es meinen Söhnen nie erzählt. Dabei ging es mir weniger um Raoul. Er ist mir egal. Ich wollte Etienne nicht dem Wissen aussetzen, zu welch schandhaftem Verhalten seine Mutter fähig war. Er hätte die Achtung verloren. Etienne war nie ein guter Lügner. Wenigstens in der Öffentlichkeit wollte ich eine heile Fassade bewahren.«

Durand schien verblüfft. Seine Brauen hoben sich fast bis an den Ansatz seines braunen Haares, und der Blick seiner grün-blauen Augen wirkte besorgt. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, während er die Neuigkeit verarbeitete. »Ihr müsst es Raoul sagen. Er rechnet damit, an Etiennes Stelle zu treten.«

»Vielleicht sollte ich das. Dann würde er aufhören, nach Dingen zu verlangen, die ihm nicht zustehen.«

Durand hielt es nicht länger auf seinem Stuhl. Er begann, im Raum auf und ab zu laufen und hinterließ eine Spur im Teppich.

Der König beobachtete ihn. Schließlich fragte er: »Dir ist klar, dass ich Raoul unmöglich an Etiennes Stelle erheben kann? Er trägt keinen Tropfen Blut aus dem Königshaus Carbonn in sich.«

Abrupt blieb Durand stehen. »Deshalb haben die Adler nicht auf ihn reagiert, als Ihr ihn damals mit ins Gebirge nahmt.«

»Die Viecher sind schlauer als unsereins. Da zieht man jahrelang den Knaben groß und ahnt nicht im Ansatz, dass seine Mutter eine Hure war.« Häme klang aus seiner Stimme. »Sollte Raoul den Thron besteigen, würde dies das Ende der Bryant’schen Linie bedeuten. Du weißt, was das heißt? Wenn schon die Adler ein Gespür für die Wahrheit entwickeln, wie werden erst die Lindoraner reagieren, sobald sie davon erfahren?« Als sei damit alles geklärt, verfiel er in Schweigen.

Frederic nahm seinen Gang durch das Arbeitszimmer wieder auf. Ab und zu seufzte er oder schüttelte nachdenklich den Kopf. »Man kann es drehen, wie man will. Es führt zu keinem Ergebnis.«

»Oh doch, mein Freund. Das tut es.«

Beide Männer blickten sich durch den Raum hinweg an. Jetzt erhob sich der König und trat näher zu Durand. In verschwörerischem Ton sprach er: »Ich habe die letzten Nächte wach gelegen und mir das Hirn zermartert. Raoul mag keinen Tropfen Blut von mir in sich tragen. Aber einen Jungen gibt es, der zweifelsohne meinen Lenden entstammt.«

Durands Miene hellte sich auf. Dann bildeten sich Runzeln auf seiner Stirn. »Ich kann mich noch gut an das letzte Treffen erinnern. Er wird das nicht wollen.«

Bryants Antwort kam schnell, scharf wie Nadelstiche und ohne Reue. »Dann werde ich ihn die erste Lektion lehren: Ein jeder muss Opfer bringen.«


 

Kapitel 3

 

Drei Monate später

 

Corin verschluckte sich an der Suppe, die ihm noch vor wenigen Augenblicken geschmeckt hatte. Seine Hand, die soeben den nächsten Löffel zum Mund führte, verharrte kraftlos in der Luft. Der Löffel fiel scheppernd auf den groben Holztisch, an dem die Familie zu Abend aß, und Flüssigkeit spritzte in alle Richtungen. Corin bemühte sich, Fassung zu wahren, während er versuchte, nicht nur das Mahl, sondern zugleich die Neuigkeit zu verdauen: Der König von Carbonn plante, in zwei Tagen ihren Hof zu besuchen.

Der Sechzehnjährige krächzte, die Augen schreckgeweitet: »Das kann nicht sein! Wieso sollte er das tun?« Mehr für sich, als für die Ohren seiner Tischgenossen bestimmt, brummte er: »Nach all den Jahren! Dabei hatte ich gehofft ...«

Während er den Gedankengang weiterverfolgte, griff er erneut nach dem Löffel. Doch seine Mutter hatte die leisen Worte sehr wohl gehört und riss ihn aus seiner Benommenheit.

»Was hast du dir erhofft? Dass er dich vergessen hätte?« Ihr Lachen klang verbittert. »Warum sollte er? Der König zahlt nicht umsonst jedes Jahr dreißig Goldtaler für deine Erziehung. Früher oder später erwartet er eine Gegenleistung! Vergiss das nie!«

Sie schüttelte verwundert über seine Einfalt den Kopf. Dabei lösten sich ein paar dunkelblonde Strähnen aus ihrem Haarknoten. »Außerdem ist er dein Vater. Allein das gibt ihm das Recht, dich zu sehen.«

»Seit wann weißt du davon?«, fragte Corin erbost. Wäre er nicht die letzten Tage von früh bis spät auf den Feldern gewesen, um Steine aufzulesen, hätte er den Boten sicher bemerkt. Sogleich heftete er den Blick auf seine Geschwister.

Philippe und Adèle, die aus der Ehe seiner Mutter mit dem Kriegsveteranen Jean Perrot stammten, waren keine zehn Jahre alt. Sie verstanden nicht, weshalb die Stimmung auf einmal umgeschlagen war. Aufgeregt blickten sie zwischen Corin und ihrer Mutter hin und her. Vergessen waren die vollen Teller, die vor ihnen auf dem Tisch standen.

Corin verfluchte sich innerlich für seinen Ausbruch. Mehr noch seine Mutter. Wieso hatte sie ihm dies nicht erst nach dem Abendmahl gesagt, nachdem die Jüngeren zu Bett gegangen waren? Stattdessen verkündete sie die Neuigkeit, die bei ihm Herzrasen und Übelkeit hervorrief, so nebensächlich, als hätte sie tatsächlich vergessen, welche Gefühle er für seinen Erzeuger hegte.

Seine Mutter legte ihren Löffel beiseite, den sie die letzten Augenblicke reglos in der Hand gehalten hatte, und seufzte. »Das spielt keine Rolle. Mach die Sache nicht komplizierter als sie ist, Corin! Es dürfte dich nicht dermaßen überraschen. Selbst für einen König sind die gezahlten Goldtaler ein Vermögen.«

Corin schluckte vernehmlich.

Dreißig Taler für jedes seiner sechzehn Lebensjahre! Unvorstellbar, hätten sie die Summe zurückzahlen müssen. Sie wären ruiniert!

Dabei ging es der Familie seit dem Tod von Jean Perrot vor zwei Jahren ohnehin schlecht. Die meisten der Münzen erhielt nämlich der Dorfarzt, der seine Schwester behandelte. Adèle war im vorletzten Winter an Schwindsucht erkrankt, einer schleichenden Krankheit, die ihr mehr und mehr die Kräfte raubte. An manchen Tagen kam sie kaum aus dem Bett. Heute hingegen ging es ihr recht gut. Ohne die Pflege durch den Medikus wäre das Mädchen schon längst ihrem Vater gefolgt.

Nichtsdestotrotz hat das alles nichts mit mir zu tun, dachte er stur. »Mir ist es gleich, wie viel Gold aus seinen Taschen geflossen ist. Ich lasse mich von niemandem kaufen!«

Seine Suppe hatte sich unterdessen genauso abgekühlt wie die Stimmung bei Tisch.

Elises Gesichtsfarbe verdunkelte sich bedrohlich.

»Sprich nicht in diesem Ton von deinem Vater, junger Mann! Sein Geld hat uns so manches Jahr über den Winter geholfen, vor allem, wenn die Ernte schlecht ausfiel.«

»Das mag sein«, konterte Corin. »Allerdings habe ich nie um diese Unterstützung gebeten. Ich will verdammt sein, wenn ich jetzt dafür geradestehen soll. Außerdem«, fügte er verbissen hinzu, »ist er nicht mein Vater!«

Elises Faust krachte auf den Tisch. Die jüngeren Kinder zuckten zusammen. Auch an Corin ging dieser Ausbruch nicht spurlos vorüber. Noch nie hatte er seine Mutter so aufbrausend erlebt. Bislang hatte er ihr aber auch nur selten Widerworte entgegnet. Das lag nicht zuletzt daran, dass sie ihn sonst nie mit solch unvernünftigen Forderungen konfrontierte, versicherte er sich schnell.

»Schluss jetzt, sage ich!« Der rötliche Schimmer auf Elises Haut verblasste zunehmend, und ihr Atem beruhigte sich. »Eines Tages wirst du verstehen, warum gewisse Dinge unumgänglich sind. Bis dahin erwarte ich, dass du meinem Urteil vertraust. Sobald der König eintrifft, wirst du dich ihm gegenüber gebührend benehmen. Andernfalls bringst du Schande über uns. Bei all den unangebrachten Wünschen, die du ihm am liebsten an den Kopf schleudern möchtest, werde ich nicht zusehen, wie du damit auch mich bloßstellst!«

Corin hasste es, wie ein unmündiges Kind behandelt zu werden. Jedes Wort betonend, erklärte er: »Ich will ihn nicht sehen!« Grober fügte er hinzu: »Bewirte ihn selbst, wenn du dich in seiner Gesellschaft wohlfühlst, aber behellige mich nicht mit diesem Unsinn.«

Der Junge war sich der Blicke bewusst, die seine Geschwister wechselten. Mit offenem Mund hatten sie den Streit verfolgt. Das Essen war zur Nebensache geworden.

Corin sprang von seinem Stuhl auf. Alles Wichtige war gesagt worden. Der Appetit war ihm gründlich vergangen. Das hatte seine Mutter hervorragend hinbekommen! Er stürmte aus dem Raum.

»Geh ruhig!«, rief sie ihm verärgert hinterher. »Solange du nur hier bist, wenn der König eintrifft!«

Eine Antwort ersparte er sich. Nachdem er seinen Schlafraum betreten hatte, schlug er die Tür hinter sich zu. Dann warf er sich auf die Liegestatt, wo er den Kopf zwischen den Armen vergrub und vor Verzweiflung schluchzte.

Ende der Leseprobe ... und weiter zur Fortsetzung Horizon 2: Fernab der Heimat